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BALTIKUM

VON WOLFGANG GODAI

 
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Estland, Tallinn (C) Dirk Bleyer Litauen, Kurische Nehrung (C) Dirk Bleyer Festung Trakai (C) Dirk Bleyer Litauen, Vilnius, St. Stanislaus Kathedrale (C) Dirk Bleyer
 

Die großen Städte sind architektonische Freilichtmuseen, die Vielfalt der endlosen Sandstrände reicht von einsamer Idylle bis zu adriatischem Trubel. Außerdem gibt es in den drei jungen, baltischen Staaten immer irgendwo ein großes Fest, und die Menschen haben auch ausreichend Gründe dafür. Ebenso wie wir, um unseren neuen EU-Partnern einen ausführlichen Besuch abzustatten.

Lettland

In der Altstadt von Riga, wo die Schanigärten in den milden und langen Sommernächten fast rund um die Uhr geöffnet haben, war sowieso schon seit der Unabhängigkeit des Landes vor 13 Jahren oft Feiern angesagt. Seit sich das kleine Lettland aber für die heurige Fussball-Europameisterschaft qualifiziert hat, gibt's keine Sperrstunde mehr. Und von den 2,4 Millionen Letten wohnt ein Drittel in der alten Hansestadt.

Auch die Küche hat hier bereits die größte Vielfältigkeit des Baltikums erreicht, in der City gibt es schon mehr ausländische Spezialitätenrestaurants als heimische, was nach einer längeren Rundreise (Schwerpunkt deftiges Fleisch, Erdäpfel und Ostseefisch) auch mal ganz gut tut.

Und Kraft tanken ist wichtig, denn in Riga gibt's so viel zu sehen, dass die Beine abends schon sehr müde sind. Besitzt die Stadt doch unter anderem eines der weltweit umfangreichsten und am besten erhaltenen Ensembles von Jugendstilgebäuden. In den engen Gässchen der Altstadt fühlt man sich ins Mittelalter versetzt, und architektonische Spielereien und skurrile Details findet man an jedem zweiten Haus. Die Stimmung mit den vielen Künstler-Cafés erinnert, wie es die Letten sehr gerne hören, an das Paris der 30er-Jahre.

Achtung bei den abendlichen Schnäpsen, denn wer einen doppelten Wodka bestellt, bekommt hier einen vierfachen. Und ein bisschen fit sollte man auch am nächsten Tag sein, geht es doch weiter nach Jurmala, dem - bleiben wir frankophil - Biaritz Lettlands. An Wochenenden tummeln sich tausende vergnügungssüchtige Bewohner des nahen Riga auf dem Sandstrand, der bis zum Horizont reicht. Und der Weg vom Stadtzentrum durch eine lange Reihe rustikal-mondäner Strandvillen ist meist ein einziger Jahrmarkt. Freiluftkonzerte, Imbissbuden, zahllose Souvenirstände, Events für Teens, Twens und Kids, und natürlich wieder schattige Schanigärten für ein kühlendes Bier und einen Imbiss, es gibt für jeden Urlaubergeschmack etwas.

Litauen

Noch mehr Strände hat der südliche Nachbar Litauen, doch auf dem Weg in das größte der baltischen Länder sieht man noch eindrucksvolle und beklemmende Zeugnisse der kulturellen und dramatischen politischen Geschichte des Baltikums. Das fast fertig renovierte Schloss Rundale aus dem 18. Jahrhundert, kurz vor der Grenze, ist eines der prachtvollsten Barockschlösser Europas. Ein Stuck weiter südlich, nach der Grenze, stößt man auf den wohl traurigsten Ort des Landes, den Berg der Kreuze. Hier wurden die Namen aller getöteten, nach Sibirien verschleppten oder verschwundenen Litauer im letzten Jahrhundert aufgeschrieben und für jeden mindestens ein verziertes, mit Ketten und Blumen geschmücktes Kreuz aufgestellt. Ein monumentaler Hügel tragischer Erinnerungen an eine gar nicht so ferne Zeit. Doch zurück zur Ostsee, und zwar dorthin, wo sie wahrscheinlich am schönsten ist. Die Kurische Nehrung ist ein fast 100 Kilometer langer Streifen Land, der von der russischen Enklave Königsberg bis vor die litauische Hafenstadt Klaipeda reicht. Nur Wälder, gewaltige Sanddünen und Himmel - dazwischen ein paar putzige, kleine Dörfer. Auch hier gibt es in der Hochsaison ein paar Stellen, wo der Strand zur täglichen Massenparty gemacht wird, aber nur ein paar hundert Meter weiter ist man ganz allein mit dem Meeresrauschen. Schon Thomas Mann hat dieser Platz fasziniert, sein Haus mit einigen Bildern und Arbeitsutensilien ist heute ein Museum. Eine stilistische Zeitreise bietet schließlich der Rundgang durch Vilnius der Hauptstadt Litauens. Die Stadt der Kirchen - es gibt hier mehr als 40 davon - ist architektonisch so unterschiedlich wie keine andere im Baltikum und bietet auch den schönsten Panoramablick aller Städte. Auf einem steil vom Flussufer aufragenden Hügel liegt die alte Burg, zu ihren Füßen fotogen die in allen Braun-, Rot- und Goldtönen leuchtende Altstadt. Die Gassen ebenso verwinkelt wie für den Betrachter verwirrend - Gotisches steht neben Barock, Renaissance neben Klassizismus. Dass die Stadt ein bisschen anders ist, merkt man auch am distanzierteren Umgang der Einheimischen mit den Touristen. Könnte aber auch Nationalstolz sein, denn imerhin wurde in Litauen der Untergang der Sowjetunion eingeläutet. In den Biergärten und kleinen Lokalen - aufpassen auf saalgroße Touristenfallen! - wird's aber trotzdem wieder gemütlich. Und gerade hier entdecken wir das subjektiv schnuckligste Lokal der ganzen Reise: Das kleine 'Faranoas' bietet Nahost- und internationale Küche vom Feinsten, mit familiärer Atmosphäre und Bedienung und originellen, jungen Gästen, die sich schon einmal eines der historischen Musikinstrumente von der Wand nehmen, um ein Spontankonzert zu geben. Noch malerischer und romantischer ist die frühere Hauptstadt, jetzt nur ein kleiner Ort namens Trakai. In der Mitte eines idyllischen Sees liegte eine beeindruckende Burganlage aus dem 14. Jhdt.

Estland

Ist Vilnius für die meisten Reisenden der Schluss einer Baltikumrundreise - mit Austrian-Direktflug nach Wien - so beginnt die Tour meistens ganz im Norden, in der Hauptstadt Estlands, Tallinn. Die geradezu kitschig schöne und binnen weniger Jahre prachtvoll renovierte Altstadt ist ein wundervoller Einstieg in die malerische Szenerie der baltischen Architektur. Hier sind die Menschen am fröhlichsten, hier ist der Tourismus aber auch omnipräsent. Trotzdem freut man sich, wenn man von unaufdringlich-freundlichen StudentInnen angesprochen wird, die einem Ansichtskarten und frische Walderdbeeren anbieten oder einfach fragen, ob sie mit irgendeiner Auskunft dienen können. Das geschieht nämlich immer mit einem Lächeln oder zumindest Augenzwinkern und einem herzerwärmenden Schmäh.

 
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